Teil 2: Der große Höhepunkt
Kurz vor Ausbruch des 1. Weltkriegs erlebten die Reformbewegungen noch einmal einen großen Höhepunkt in ihrer Geschichte: Der erste Freideutsche Jugendtag am 12./13. Oktober 1913 auf dem Hohen Meißner in Nordhessen.
Das Datum war bewußt gewählt. Es handelte sich um das 100jährige Jubiläum der Völkerschlacht bei Leipzig. Während überall in Deutschland große Feiern mit viel „Hurrah“ und Alkohol abgehalten wurden, wollte die Jugendbewegung dieses Ereignis auf ihre eigene Art begehen. Es wurde gewandert, getanzt und gesungen, es gab Reden und Diskussionen, es gab Monarchisten und Sozialisten und alles verlief harmonisch und in einer Art und Weise, wie sie dem Lebensgefühl dieser jungen Generation entsprach.
Am Ende musste natürlich noch eine gemeinsame Erklärung gefunden werden. Nach einigem hin und her und heißgeredeten Köpfen gelang der große Wurf: Die Meißnerformel.
Die Freideutsche Jugend will nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung, in innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten. Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein.
Zur gegenseitigen Verständigung werden Freideutsche Jugendtage abgehalten. Alle gemeinsamen Veranstaltungen der Freideutschen Jugend sind alkohol– und nikotinfrei.“
Im ersten Teil der Formel drückt sich, für eine Jugendbewegung sicherlich einmalig, der Wille zur eigenverantwortlichen konstruktiven Lebensgestaltung aus. Dieser Teil der Formel wirkt auch bis heute fort und wird noch immer bei den Nachfolgern der historischen Jugendbewegung gerne zitiert und diskutiert.
Die Alkohol- und Nikotinfreiheit war immer umstritten. Sie sollte für die gemeinsamen Veranstaltungen gelten und nicht zwangsläufig für das Eigenleben der vielen Gruppierungen.
Zu weiteren freideutschen Jugendtagen kam es durch den Ausbruch des 1. Weltkriegs nicht mehr. Wie die meisten ihrer Zeitgenossen waren auch die Wandervögel überwiegend patriotisch gesinnt und meldeten sich in Scharen freiwillig. Es vielen ca. 7.000 Wandervögel auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkriegs. Ein großer Aderlass für die noch junge Bewegung und die erste große Zäsur.